Aurora und andere Werke

Zwölf Jahre nach der Vision, die Böhme im Jahre 1600 hatte, begann er an seinem ersten Buch „Aurora oder Morgenröte im Aufgang“ zu arbeiten. Einer von Böhmes Freunden gab dem Buch endgültig den Titel „Aurora”. Böhme schrieb es jedoch ausschließlich für den eigenen Gebrauch. Er hat es nie vollendet. „Aurora” kam in den Besitz Karl von Enders, eines Adligen, der eine Kopie fertigte, die die Vorlage für die weitere Verbreitung dieses Werkes durch Abschriften wurde. In dem Werk „Aurora“ verwendet Böhme den Begriff der dialektischen Einheit der sich bekämpfenden Gegensätze als Grundsatz der Weltnatur und der Natur Gottes; Ähnlich wie das Licht nicht ohne die Finsternis besteht, so kann auch Gott – nach Böhme – nicht bestehen, ohne in seinem Wesen den Gegensatz von Gutem zu einhalten.

Eines der „Aurora“-Exemplare geriet in die Hände von Gregorius Richter, dem Pastor aus Görlitz, der es für eine Häresie hielt und Böhme mit Verbannung drohte, wenn er das Schreiben nicht aufgibt. Im Endeffekt schuf Böhme in den nächsten ein paar Jahren kein neues Werk; Auf Zureden von Freunden, die „Aurora“ gelesen haben, kehrte Jakob Böhme 1618 zum Schreiben zurück. Die Beendigung seines
zweiten Buches nahm zwei Jahre in Anspruch. Es war der Beginn von vielen weiteren Abhandlungen, die per Hand kopiert und unter den Freunden des Verfassers verteilt wurden. In 1622 verfasste Böhme ein paar kurze Schriften, die später in seinem ersten Buch veröffentlicht wurden, das am 1.Januar 1624 unter dem Titel „Der Weg zu Christo“ herausgegeben wurde. Die Veröffentlichung des Buches löste einen Skandal aus. Nach vielen Beschwerden von den Geistlichen wurde Böhme am 26.März 1624 vor den Magistrat zitiert. Im Protokoll schrieb man: Jakob Böhme, chuhmacher und verbissener Enthusiast, erklärt, dass er Verfasser des Buches „Der rechte Weg zum ewigen Leben“ sei, aber mit seiner Herausgabe nicht zu tun hätte, Der Adlige Sigismund von Schweinichen habe den Druck veranlasst. Die Ratsherren haben die Ausweisung aus der Stadt verlangt, anderenfalls wird eine Meldung an den Kurfürsten ergehen. Kurz danach erpflichtet sich Jakob Böhme, die Stadt unverzüglich zu verlassen. Am 8. oder 9. Mai 1624 verreist Böhme für zwei Monate nach Dresden. In dieser Zeit wohnte er bei einem kurfürstlichen Leibarzt. Jakob Böhme wurde von dem Dresdener Adel und den Geistlichen akzeptiert. Die dortigen Priesterseminaristen und die Professoren wussten Böhmes Talent zu schätzen. Sie waren es eben, die ihn bei der Vernehmung vom Mai 1624 dazu angehalten haben, zu seiner Familie nach Görlitz zu fahren. Als Böhme fern von Zuhause war, musste seine Familie das Inferno des 30jährigen Krieges erleben. Nach der Heimkehr hat Böhme die Einladung des Herrn von Schweinichen angenommen, der ihm den Aufenthalt bei sich auf dem Lande vorgeschlagen hat. Bei dem Aufenthalt fernab der Stadt begann Böhme, an seinem letzten Buch „177 theosophische Fragen“ zu arbeiten. Leider wurde Böhme von einer unheilbaren Darmkrankheit heimgesucht, die ihn am 7.November zur Heimkehr gezwungen hat. Gregorius Richter, Böhmes Widersacher aus Görlitz /Zgorzelec, starb im August 1624. Obwohl Böhme zu dieser Zeit weit weg war, war der Geistliche stets auf der Hut. Als Jakob Böhme das Heilige Sakrament empfangen wollte, musste er vorher eine ganze Reihe von Fragen beantworten.

In einer kurzen Zeit hat Böhme eine ganze Reihe von Büchern geschrieben, darunter Werke, die sein Stolz sind – „De signatura rerum“ und „Mysterium Magnum“. Als Schriftsteller war er Vorreiter einer Strömung, die sich in ganz Europa verbreitete. Seine Anhänger waren als Böhmeisten bekannt. Der Hauptpastor von Görlitz, Gregorius Richter, – Sohn des Hauptwidersachers von Jakob Böhme – schuf eine Sammlung aus – gewählter Werke des Autors, die 1682 mit Hilfe von Coenraad van Beuningen in Amsterdam herausgegeben wurden. Die Gesamtausgabe von Böhmes Werken wurde erst 1730 veröffentlicht.

Theologie

Einen anderen Gesichtspunkt, wo Böhme möglicherweise von der angenommenen Theologie abweicht (obwohl es aufgrund seines uneindeutigen und prophetischen Stils eine ungelöste Frage war), kann man in seiner Beschreibung des Untergangs als eines mmanenten Zustands derEvolution des Universums finden. Schwierigkeiten in seiner Theologie bereitet die atsache, dass er mystische Visionen hatte, die ermehrmals auslegte und aufs Neue formulierte. Nach F.von Ingen glaubte Böhme, dass der Mensch zuerst durch die Hölle gehen muss, um Gott näher zu kommen. Gott existiert außerhalb von Zeit und Raum, wird in der Ewigkeit wiedergeboren, so stellt Böhme erneut die Dreifaltigkeit als real bestehend dar, aber vereinbar mit der Interpretation in seiner Abhandlung. Gottvater ist das Feuer, das seinem Sohn Leben gegeben hat, der von Böhme als Licht bezeichnet wird. Der Heilige Geist ist das lebendige Gesetz oder ottesleben. Es ist jedoch offensichtlich, dass Böhme nie behauptet hat, dass Gott das Böse als etwas Erwünschtes, ja Unentbehrliches wahrnimmt, oder aber als einen Teil des Gotteswillens, durch den das Gute herrschen wird. In seinem Werk „Von dem dreifachen Leben des Menschen“ findet man die Äußerung, dass aus einer bösen Sache naturgemäß keine gute Sache erwachsen kann, aber eine böse Sache gebärt die nächste böse Sache. Böhme glaubt nicht an die göttliche Autorität oder metaphysische, angeborene Notwendigkeit des Bösen und deren Einfluss auf den Lauf der Dinge. Dr. John Pordage, ein Böhme-Interpret, schreibt:
„Jacob Behme [sic] schreibt seit langem das Böse der ewigen Natur zu, er erwägt es unter dem Blickwinkel des Niedergangs des Menschen, der durch den Fall Luzifers bedingt war …“. Das Böse wird betrachtet als „ Unordnung, Rebellion, Verzerrung bei dem Streben, den Geist zum Dienerder Natur zu machen“, das die Verzerrung der ursprünglichen Gottesordnung ist.

Kosmologie

In einer der von Böhme geschaffenen Interpretationen zur Kosmologie war die Abwendung der Menschen von Gott unvermeidbar, und die ursprünglichen Gemeinschaften mussten sich der Vielgestaltigkeit, dem Verlangen und der Auseinandersetzung unterziehen – genauso wie in Satans Rebellion gegen Gott, in der Trennung Adam und Evas und deren Wissensaneignung von Gut und Böse, um die Evolution eines neu en harmonischen Erlösungsstands zu erzielen, der vollkommener wäre als der ursprüngliche Unschuldszustand, was folglich Gott ermöglicht hätte, ein neues Selbstbewusstsein zu erlangen, durch genseitige Interaktionen mit dem Schöpfungsakt, der sowohl sein Teil ist, als auch etwas esondertes. Der freie Wille wird zur größten Gabe, die die Menschheit von Gott erhalten hat. Durch sie önnen wir nach Gottes Gnade suchen, die eine durchdachte Wahl ist, und bleiben gleichzeitig normale Menschen.

Böhme betrachtete die Fleischwerdung Jesu Christi nicht als Opfergabe zur Erlösung von den Sünden, sondern als Liebesopfer für die Menschheit, das den Willen Gottes zeigt, das Leiden auf sich zu nehmen, das ein unzertrennlicher Teil des chöpfungsaktes ist. Er glaubte ebenfalls, dass die Menschwerdung Christi eine Botschaft mit sich brachte, die davon sprach, dass eine neue Harmonie wahrscheinlich ist. Diese Behauptung unterschied sich etwas von der lutherischen Lehre, und Böhmes Betonung des Glaubens und des Selbstbewusstseins war noch kontroverser als die absolute Einhaltung des Dogmas oder der Gesetze der Heiligen Schrift.

Marianische Ansichten

Böhme glaubte daran, dass der Gottessohn aus der Jungfrau Maria geboren und Mensch geworden ist. Er befasst sich eher mit der menschlichen Natur Marias als mit dogmatischen Fragen. Wie alle anderen Frauen war sie ein Mensch, und somit nicht frei von der Sünde. Erst als Gott, mit Gnaden erfüllt, sie zur Mutter seines Sohnes auserkoren hat, wurde sie als makellos und unbefleckt bezeichnet. Nicht Maria hat das Wort bewegt, das Wort hat Maria bewegt. Eben deshalb erklärt Böhme, dass alle Gnade vom Gott kommt. Maria ist „ gebenedeit unter den Frauen“ nicht wegen ihrer Fähigkeiten, sondern wegen ihrer Demut. Maria ist das Instrument Gottes, ein Beispiel dafür, was Gott zu tun vermag: Es wird für alle Ewigkeit nicht vergessen werden, dass Gott in ihr Mensch geworden ist. Im Gegensatz zu Luther glaubt Böhme nicht, dass Maria Ewige Jungfrau gewesen ist. Nach Böhmes Meinung ist ihre Jungfräulichkeit nach der Geburt Christi unrealistisch. Die wahre Erlösung ist Christus, nicht Maria. Die Bedeutung Marias, die so ein Mensch ist, wie jeder von uns, ist die, dass sie Christus als Menschen geboren hat.
Böhme meint, dass Christus uns fremd wäre, uns kein Bruder wäre, wenn Maria nicht Mensch gewesen wäre. Christus muss in uns reifen, so wie er das in Maria tat. Sie war gesegnet durch ihre Einwilligung. Im wiedergeborenen Christen vergeht alles Weltliche so wie in Maria. Nur das, was vom Himmel kommt, bleibt ewig. Die für Böhme harakteristische, theologische Sprache, die Feuer, Licht und Geist umfasst, erfüllt seine Theologie und marianische Ansichten, ohne dabei von der Tatsache abzulenken, dass sein Ausgangspunkt die lutherische Lehre ist, mit der einzigen Ausnahme – der Jungfräulichkeit Marias, wo sein Standpunkt mehr weltlicher Natur ist.

Nachwirkung

Obwohl Böhme sich in seinen Werken sowohl an Anschauungen von Neuplatonikern als auch Alchemisten wie Paracelsus orientierte, blieber der christlichen Tradition treu. Der Gedanke Böhmes war es eben, der Einfluss auf die Entstehung religiöser Bewegungen mit mystischem Hintergrund und alternativer Gemeinschaften wie die Quäker und die Gemeinschaft der Engelsbrüder (Gichtelianer), sowie der Freimaurerei, Theosophie und Anthroposophie des XIX. und XX. Jhs. ausübte. Der Liegnitzer Arzt Balthasar Walther, Böhmes Schüler und Mentor zugleich, der auf der Suche nach magischer, kabbalistischer und alchemistischer Weisheit in das Heilige Land reiste, trug zur Umsetzung kabbalistischer Ideen in Böhmes Lehre bei. Das Schaffen Jakob Böhmes war auch Inspiration für die Anhänger deutscher Philosophie der Romantik, insbesondere für Schelling. In seiner Abhandlung „Cosmic Consciousness” (1901) weist Richard Bucke wiederum auf die Tiefe Böhmes geistiger Erleuchtung hin, die ihm die endgültige Identität oder die Einheit von Gott und Menschen erblicken ließ. Böhme übte auch großen Einfluss auf William Blake aus, den englischen Dichter der Romantik, Künstler und Mystiker.

Resonanz

Das XVII. Jh. war reich nicht nur an solchen Ereignissen wie die wissenschaftliche Revolution, es war auch die Zeit der mystischen Revolution im Katholizismus, Luthertum und Judaismus. Böhme und einige mittelalterliche Mystiker waren Vorläufer der protestantischen Revolution. Nach Veröffentlichung seiner Bücher in England, den Niederlanden und Deutschland wurde Böhme zu einer wichtigen Persönlichkeit unter den Intellektuellen im protestantischen Europa der 40er und 50er Jahre des XVII. Jhs. Er wurde besonders von den Millenaristen, den Cambridger Platonikern und den iederländischen Studenten geschätzt. Henry More betrachtete jedoch kritisch die Person Jakob Böhme, und behauptete, dass dieser kein Prophet ist und keine besondere Gabe besitzt, die das Begreifen mystischer Fragen ermöglicht. Im XVII. Jh. war Böhme in Holland, England, Frankreich, Russland und Amerika bekannt. Im XVIII. Jh. geriet er langsam in Vergessenheit, aber dank des Interesses seitens deutscher Romantiker, die ihn für den Wegbereiter dieser Bewegung hielten, stand er wieder in Gunst.
Solche Dichter wie Tieck, Novalis und William Blake schöpften aus Böhmes Werken ihre Inspiration. Jakob Böhme genoss ebenfalls ein hohes Ansehen bei den deutschen Philosophen Baader, Schelling und Schopenhauer. Hegel nannte ihn sogar den „ersten deutschen Philosophen“.

Werke

  • Aurora oder Morgenröte im Aufgang (unvollendet),1612; Euroopera, Görlitz 1998.
  • De tribus principiis, (Beschreibung der drei Prinzipien göttlichen Wesens), 1618-1919
  • De triplici vita hominis (Von dem Dreyfachen Leben des Menschen), 1620
  • Psychologica vera (Vierzig Fragen von der Seelen), 1620
  • De incarnatione verbi „Von der Menschwerdung Jesu Christi“, 1620
    – I. Wie das ewige Wort sei Mensch geworden
    – II. Vom Christi Leiden, Sterben und Tod
    – III. Vom Baum des Glaubens
  • Sex puncta theosophica (Von sechs Theosophischen Puncten) (1620)
  • Mysterium pansophicum (Gründlicher Bericht von dem Irdischen und Himmlischen Mysterio) (1620); Instytut Wydawniczy „Rozekruis“
  • Informatorium novissimorum (1620) (Unterricht von den letzten Zeiten an P. Kaym)
  • Christosophia (Der Weg in Christo), 1621
  • Libri apologetici (Schutz-Schriften wider Balthasar Tilken), 1621
  • Antistifelius (Bedenken über Esaiä Stiefels Büchlein), 1621
  • Ingleich Vom Irrtum der Secten Esaiä und Zechiel Meths, 1622
  • De signatura rerum (Von der Geburt und der Bezeichnung aller Wesen), 1622
  • Mysterium Magnum (Erklärung über das erste Buch Mosis, 1623
  • De electione gratiae (Von der Gnaden-Wahl), 1623
  • De testamentis Christi (Von Christi Testamenten), 1623
  • Quaestiones theosophicae (Betrachtung Göttlicher Offenbarung), 1624
  • Tabulae principorium (Tafeln von den Dreyen Pricipien Göttlicher Offenbarung), 1624
  • Tabulae principorium (Tafeln von den Dreyen Pricipien Göttlicher Offenbarung), 1624
  • Apologia contra Gregorium Richter (Schutz-Rede wider Richter), 1624
  • Libellus apologeticus (Schriftliche Verantwortung an E. E. Rath zu Görlitz), 1624
  • Clavis (Schlüssel, das ist Eine Erklärung der vornehmsten Puncten und Wörter, welche in diesen Schriften gebraucht werden), 1624
  • Epistolae theosophicae (Theosophische Send-Briefe), 1618-1624
  • Okólniki Teozoficzne, Euroopera, Zgorzelec 2005.
  • Ponowne narodziny. Wyd. Brama, Poznań, 1993
  • Zdania i uwagi z dzieł Jakuba Boehme, Anioła Szlązaka i Saint-Martina. (oprac. Adam Mickiewicz). Paryż, s.n., 2003

Der Einfluss Jakob Böhmes auf Adam Mickiewicz

Adam Mickiewicz kam mit der Philosophie Jakob Böhmes zum ersten Mal 1824 während seines Aufenthalts in Petersburg durch den Mar i n ismus in Berührung. Ein Zeugnis seines Interesses an Böhmes Gedankenwelt sind die 1833-1834 erschienenen „Zdania i uwagi z dzieł Jakuba Böhme go, Anioła Szlązaka i Saint- Martina“ (Sätze und Bemerkungen aus den Werken von Jakob Böhme, Angelus Silesius und Saint-Martin) – poetische Paraphrasen von moralischen Maximen aus den Werken mystischer Denker. In den Notizen von Mickiewicz befindet sich auch ein Ausschnitt aus „Aurora“, der von dem Dichter in deutscher Sprache abgeschrieben wurde. Auf Böhme kam Mickiewicz gegen Ende des Jahres 1853 zurück, als er Armand Lévy seine Bemerkungen auf Französisch diktierte, in denen er in groben Zügen mit der Gedankenwelt Böhmes vertraut macht.

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